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«Unsere Ausgaben müssen durch die Einnahmen gedeckt sein»

Die ökonomische Ausrichtung ist integraler Bestandteil der ganzheitlichen Nachhaltigkeit. Darum widmen wir uns der umsichtigen Finanzgestaltung des Sunnige Hof. Armin Imoberdorf, Verwaltungsrat und Vorsitzender der Finanzkommission, erläutert, warum eine massvolle Investitions- und Ausgabenpolitik, gute Lieferantenbeziehungen und motivierte Mitarbeitende eine entscheidende Rolle bei der ökonomischen Nachhaltigkeit spielen.

Armin Imoberdorf, was verstehen Sie unter ökonomischer Nachhaltigkeit?
Armin Imoberdorf: Der ökonomische Aspekt der Nachhaltigkeit ist lediglich ein Teil des Nachhaltigkeitskonzepts, das aus drei Dimensionen besteht: der Umwelt, dem Sozialen und eben der Wirtschaft. Für mich persönlich bedeutet dies, dass eine nachhaltige Wirtschaft nur dann funktionieren kann, wenn die soziale und die ökologische Nachhaltigkeit darin ebenso angemessen vertreten sind.

Was bedeutet dies konkret für den Sunnige Hof?
Armin Imoberdorf: Zahlreiche Fragen und Überlegungen fliessen in die ökonomische Nachhaltigkeit ein wie: Mit welchen Lieferanten möchten wir zusammenarbeiten? Wie stark sind unsere Mitarbeitenden in unser Organisationssystem und die Unternehmensstrategie eingebunden? Wie sehen unsere Organisations- und Kostenstruktur im Allgemeinen und unser Führungsteam im Besonderen aus? Des Weiteren müssen wir uns immer wieder hinterfragen, wie unsere langfristige Finanzplanung ausgestaltet sein muss, um den Haushalt im Lot zu halten. Sinnbildlich für diese Frage steht die Debatte darüber, welche erneuerbaren Energien wir innerhalb unserer Siedlungen einsetzen und ob diese auch wirtschaftlich Sinn machen.

Und was ist die Antwort darauf?
Armin Imoberdorf: Die Abkehr von fossilen Energiequellen und die Verwendung von alternativen Energien wie Solar-, Wind- und Wasserkraft sind nicht nur aus ökologischer, sondern auch aus ökonomischer Sicht angezeigt und erst noch sinnvoll. Der Grund: Auf lange Sicht sind diese Energieträger meistens kosteneffizienter.

Das Rückgrat der ökonomischen Nachhaltigkeit

Die ökonomische Nachhaltigkeit zeichnet sich durch einen weiteren wichtigen Aspekt aus: die gute Unternehmensführung
– auch als Corporate Governance bezeichnet. Das Ziel der guten Unternehmensführung liegt in der strikten Einhaltung von gemeingültigen ethischen Standards. Zu diesen Grundsätzen gehören faire und professionelle Geschäftspraktiken – wie beispielsweise keine Kinderarbeit, Sicherstellung von Mindestlöhnen, Chancengleichheit unabhängig der Herkunft, Religion oder Geschlecht, Korruptionsprävention, die Förderung transparenter Geschäftstätigkeit, der schonungsvolle Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen und eine umsichtige Finanzpolitik – im Sinne der Genossenschafter*innen.

So fördert beispielsweise eine transparente Genossenschaftsführung das Vertrauen der Mitglieder in die Organisation und die Genossenschaftsorgane und trägt zum langfristigen Erfolg der Genossenschaft bei. Transparente und nachvollziehbare Entscheidungsprozesse reduzieren die Gefahr von Fehlverhalten der Mitarbeitenden oder der Organisation als Ganzes.
Zu einer herausragenden Corporate Governance gehört auch, den Mitarbeitenden ein Umfeld zu schaffen, in dem sie ihre intrinsische Motivation stärken können. Dem Sunnige Hof liegt eine gute Corporate Governance am Herzen. Deshalb halten der Verwaltungsrat und die Geschäftsstelle die ethischen Grundsätze bei ihrer täglichen Arbeit hoch. Dies erfordert eine
starke Integrität und Ehrlichkeit auf allen Geschäftsebenen, eine strikte Gewaltentrennung zwischen der operativen und der strategischen Ebene sowie keinerlei persönliche Verflechtungen, die zu Zielkonflikten innerhalb der Organisation führen könnten.

Eine Organisation kann langfristig also nur erfolgreich sein, wenn sie auch finanziell gesund ist. In der freien Marktwirtschaft würde man deshalb eine Gewinnmaximierung anstreben. Baugenossenschaften sind nicht gewinnorientiert. Was geschieht mit dem Ertrag, dem Gewinn, den der Sunnige Hof jährlich erwirtschaftet?
Armin Imoberdorf: Die Gewinnmaximierung steht beim Sunnige Hof nicht an erster Stelle. Das untersagen uns die Statuten. Vie mehr steht das gemeinschaftliche Interesse im Vordergrund. Wir möchten bezahlbaren Wohnraum für alle Bevölkerungsschichten zur Verfügung stellen. Gleichzeitig ist es für uns wichtig, wirtschaftlich effizient zu arbeiten, um unsere Ziele zu erreichen. Daher müssen wir sicherstellen, dass unsere Ausgaben durch die Einnahmen gedeckt sind und wir über genug Reserven verfügen. Auf diese Weise sind wir für Krisensituationen – wie zum Beispiel steigende Finanzierungskosten – gewappnet. Zudem können wir unsere Wachstumsstrategie nur mit vorhandenen finanziellen Mitteln vorantreiben und unterstützen.

Wie stellen Sie sicher, dass der Gewinn im Interesse der Genossenschaft eingesetzt wird?
Armin Imoberdorf: Wir müssen zuerst verstehen, was mit dem Gewinn in einem ersten Schritt geschieht. Der Gewinn wird in das Genossenschaftsvermögen integriert und kommt allen Genossenschafter*innen zugute.

Wie das?
Armin Imoberdorf: In den letzten Jahren wurde ein Teil des Gewinns in Form der Verzinsung der Anteilsscheine der Genossenschafter*innen ausgeschüttet. Konkret betrug die Verzinsung des Anteilsscheinkapitals in den letzten Jahren 1,5 Prozent. Der restliche Gewinn floss in die finanzielle Substanz – konkret ins Eigenkapital, an dem unsere Genossenschafter*innen als Anteilseigner* innen wiederum beteiligt sind. Je höher unser Eigenkapital ist, desto besser sind unsere Chancen, eine günstige Finanzierung zu erhalten und eine erfolgreiche Wachstumsstrategie zu verfolgen. Eine höhere Eigenkapitalquote erhöht unsere Flexibilität, verbessert die Tragbarkeit und reduziert die Risiken. So profitieren sie von unserer nachhaltigen Finanzpolitik gleich doppelt.

Auch bei der Auswahl von Lieferanten spielt die ökonomische Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle. Worauf achtet der Sunnige Hof bei der Zusammenarbeit mit Lieferanten?
Armin Imoberdorf: Bisher arbeiteten wir vor allem mit Partnern und Lieferanten zusammen, mit denen wir schon gute Erfahrungen gemacht haben. Ein konkreter Anforderungskatalog zu Nachhaltigkeitskriterien an unsere Partner besteht noch nicht. Doch der Verwaltungsrat und die Geschäftsstelle sind intensiv daran, eine gesamtheitliche Nachhaltigkeitsstrategie zu erarbeiten. Im Rahmen dieses Prozesses werden wir uns auch der Thematik der Lieferantenbeziehungen annehmen. Wie sehen die Genossenschafter*innen, wie nachhaltig der Sunnige Hof bei Investitionen agiert? Armin Imoberdorf: Als Siedlungsgenossenschaft ist es unser Ziel, wirtschaftlich tragfähige Investitionen zu tätigen. Bevor wir investieren, prüfen wir immer zuerst professionell das Kosten-Nutzen- Verhältnis genauso wie die daraus resultierende Rentabilität. Das sind wir unseren Genossenschafter* innen und uns selbst schuldig. Wir tun dies, um sicherzustellen, dass wir langfristig ein gesundes Finanzergebnis erzielen und unsere finanziellen Ressourcen effizient nutzen können.

«Ich stelle fest: Unsere Mitarbeitenden agieren und handeln ausserordentlich kostenbewusst.»

Können Sie uns ein konkretes Beispiel nennen?
Armin Imoberdorf: Ich beziehe mich auf das Beispiel der erneuerbaren Energien. Diese Art der Energiegewinnung ist nachhaltig, weil sie ökologisch und ökonomisch ist – und auch kosteneffizienter. Eine Investition in die ökologische Nachhaltigkeit steht stets in einem Spannungsfeld: Einerseits geht es darum, bezahlbaren Wohnraum zu fördern und auszubauen, andererseits möchten wir unsere erneuerbaren Energieträger weiter ausbauen. Und genau an diesem Punkt wird es interessant. Wenn wir in bezahlbaren Wohnraum investieren, tun wir dies im Regelfall durch Sanierungen von Altbauliegenschaften – und damit meist dort, wo die Mieten günstig sind. Diese sind aber in erster Linie deshalb günstig, weil die Liegenschaften in die Jahre gekommen sind, nicht über den heutigen Ausbaustandard verfügen und folglich energetisch auch nicht mehr auf dem neusten Stand der Zeit sind. Die Isolation ist mangelhaft oder die Liegenschaft wird mit Gas oder Öl geheizt. Somit führt der Betrieb einer energetisch sanierten Liegenschaft zwangsweise zu Mietzinserhöhungen – und diese Güterabwägungen (höhere Mietzinse für die Genossenschafter*innen respektive Verfolgung der Nachhaltigkeitsziele) müssen wir von Fall zu Fall vornehmen.

Nebst der Infrastruktur sind die Mitarbeitenden das wichtigste Kapital einer Organisation. Wie können diese einen Beitrag zur ökologischen Nachhaltigkeit leisten?
Armin Imoberdorf: Jeder Mitarbeitende des Sunnige Hof kann entscheidend zur ökonomischen Nachhaltigkeit beitragen. Für mich persönlich stehen drei Kernelemente im Vordergrund: Durch ihr Kostenbewusstsein können Mitarbeitende dazu beitragen, die Kosten zu kontrollieren und eine allfällige Ausgabenflut zu minimieren. In meiner Funktion als Vorsitzender der Finanzkommission des Sunnige Hof stelle ich fest, dass unsere Mitarbeitenden ausserordentlich kostenbewusst arbeiten und handeln. Kosteneffizientes Denken und Handeln in allen Bereichen unterstützen die finanzielle Stabilität und die ökonomische Nachhaltigkeit. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Identifikation mit unseren Unternehmenszielen. Mitarbeitende, die sich mit unseren Zielen identifizieren, sind motivierter, setzen sich mit Leidenschaft für unsere Mission ein und tragen dazu bei, die finanziellen und ökonomischen Ziele zu erreichen oder diese sogar zu übertreffen. Dies steigert die Unternehmenskultur und das Arbeitsklima innerhalb der Organisation und führt zu einer geringeren Fluktuation. Abschliessend können die Mitarbeitenden durch die kontinuierliche Verbesserung und Optimierung der Arbeitsprozesse die Ressourceneffizienz verbessern und folglich Kosten senken. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass alle genannten Punkte einen direkten Zusammenhang zur ökonomischen Nachhaltigkeit haben. Eine ganzheitliche Berücksichtigung der Aspekte fördert eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung, in der die ökonomischen Ziele im Einklang mit sozialen und ökologischen Prinzipien stehen.